Ein neues mobiles Gas-Messgerät erfasst und erkennt die enthaltenen Verbindungen

„Was riecht denn hier so auffällig?“ und „Schade, dass man das nicht sofort erfassen kann!“: Genau diese beiden Aussagen waren vor acht Jahren der Anlass, ein Gerät zu entwickeln, mit dem es möglich ist, auffällige Gerüche sofort am Ort des Geschehens zu detektieren und gleichzeitig auch zu identifizieren. Im Institut für Messtechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg wurde unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. G. Matz die dazu erforderliche Messtechnik entwickelt und in Zusammenarbeit mit Dr. Baermann & Partner, Mikroanalytik, in verschiedenen Forschungsprojekten die Anwendung und Praxistauglichkeit dieses Gerätes erprobt. Seit 2014 entwickelt und vertreibt die bentekk Gmbh das neue Gasmessgerät.

Die bis heute weiterhin noch üblichen Messtechniken für die Bestimmung von leicht flüchtigen Verbindungen erfordern in der Regel gaschromatographische Analysesysteme von Kühlschrankgröße. Schadstoff-Messungen unmittelbar am Ort des Geschehens sind damit nicht möglich. Ziel war daher, die Messtechnik inklusive der dazu erforderlichen Bauteile so zu miniaturisieren, dass ein kleines, mobiles, akkubetriebenes Messgerät entsteht. Nur so kann sichergestellt werden, auch in schwer zugänglichen Bereichen stromnetzunabhängig Messungen durchzuführen oder bei engen Rohrleitungssystemen kleinste Undichtigkeiten sofort aufzuspüren.

Auch für die schnelle Vor-Ort-Analytik von Schadstoffen bei Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen im Altlastenbereich sollte das neue Messgerät genutzt werden. Hier ist vor allem die Erfassung von leichtflüchtigen Schadstoffen (VOC: volatile organic compounds) von großem Interesse. Besonders die leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffe (LHKW) oder die Aromaten wie z. B. Benzol, Toluol oder Xylole (BTX) erfordern einen schnellen Kontaminationsnachweis und damit kurze Analyseläufe. Dazu wurde ein neuartiges, miniaturisiertes Gasanalyse-System entwickelt, welches aus einem Photoionisationsdetektor (PID) und einem Multikapillar-Gaschromatographen (GC) besteht.

Um möglichst geringe Retentionszeiten der für diese Anwendung typischen leichtflüchtigen Schadstoffe zu erreichen, musste für die gaschromatographische Trennstrecke eine kurze Säulenlänge gewählt werden. Je nach Anwendungszweck und Schadstoff-Spektrum stehen dafür unterschiedliche Säulenlängen zwischen 30 cm und 50 cm zur Verfügung. Der Trägergasfluss und die Temperatur des neuen GC-Systems haben zusätzlichen Einfluss auf die Retentionszeiten. Eine präzise Regelung dieser Parameter ermöglicht ein optimiertes Stoff-Trennungsvermögen. Gegenüber herkömmlichen Photoionisationsdetektoren, die lediglich ein Summensignal bei einer Schadstoffbelastung liefern, ist mit dem neuen GC-PID neben der Anzeige der Gesamtbelastung auch eine Identifikation der enthaltenen Schadstoffe möglich. Für über 200 verschiedene chemische Verbindungen in der Stoffklasse der VOC lassen sich die jeweiligen Messbedingungen einstellen. Die jeweiligen Messparameter für eine Luft- oder Gasanalyse können durch eine speziell für das Gerät entwickelte und angepasste Benutzeroberfläche über ein iPad eingegeben werden.

Das neue GC-PID-Mess-System ermöglicht damit erstmals eine hohe Trennschärfe zur Identifikation von VOC in einem Nachweisbereich zwischen 50 ppb bis 10 ppm. Die neu entwickelten Auswerte-Programme liefern ein Messergebnis innerhalb von 30 Sekunden. Zur weiteren Auswertung der aufgenommenen GC-Signale im Feld kann eine Datenübertragung vom Gerät über das iPad per E-Mail zum Abgleich mit externen Datenbanken im Labor erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass auch komplexe GC-Läufe analysiert und interpretiert werden können. Mit einem geringen Gewicht von lediglich 1 kg inklusive der Stromversorgung und einer sehr kompakten Bauform wird eine schnelle und direkte Erfassung der Belastungssituation im Feld z. B. bei einer „hot-spot-Kartierung“ ermöglicht. Ziel ist hier, auf größeren Verdachtsflächen die Bereiche mit hoher Schadstoffbelastung sicher aufzuspüren und gegenüber den geringer belasteten Flächen abgrenzen zu können.

Dies ist insbesondere im Vorfeld zur Planung der Ansatzpunkte von Erkundungsbohrungen eine wichtige Entscheidungsgrundlage, um das Bohrraster zu optimieren.

Erfassung von Aromaten am Bohrgut

Bild 1: Erfassung von Aromaten direkt am Bohrgut mit dem X-PID (Prototyp aus 2013), Quelle: TUHH/bentekk

Nach erfolgter Bohrung lässt sich bereits schon innerhalb der Bohrsonde das Bohrgut „abscannen“, um Hinweise für auffällige bzw. kontaminierte Bodenschichten zu erhalten. Diese können dann gezielt für die nachgeschaltete Laboranalytik beprobt werden. Bild 1 zeigt den Einsatz des ersten GC-PID-Prototypen („X-PID“) mit Stand von 2013. Der genaue Signalverlauf der gaschromatographischen Messung (Chromatogramm) mit den Einzelverbindungen (z.B. Toluol und Xylol) wird direkt auf dem iPad erfasst und zusammen mit den gewählten Messeinstellungen abgespeichert (Bild 2).

Benutzeroberfläche „X-PID“

Bild 2: Benutzeroberfläche für die Eingabeparameter am „X-PID“ und Anzeige des Chromatogramms verschiedener Aromaten (Toluol, Xylol), Quelle: TUHH/bentekk

Bodenluft-Belastungen lassen sich mit dem „X-PID“ auch im tieferen Untergrund erfassen. In Bohrlöchern sind mit entsprechenden „Packer-Systemen“ zur Abgrenzung einzelner Boden- und Sedimenthorizonte auch tiefenorientierte Schadstoffprofile zu ermitteln (Bild 3).

LHKW-Messungen in Bohrlöchern

Bild 3: LHKW-Messungen („gepackert“) in Bohrlöchern auf einem Altstandort, Quelle: TUHH/bentekk

Im Rahmen von Rückbau- und Sanierungsmaßnahmen fällt gerade beim Flächenrecycling bauschutthaltiges Auffüllungsmaterial und teilweise belasteter Bodenaushub an, der je nach Belastungsgrad verwertet werden kann oder aber deponiert werden muss. Auch hier findet der „X-PID“ eine sinnvolle Anwendung. Ziel ist hier, bereits während der Aushubmaßnahmen Informationen über die Schadstoffbelastungen zu erhalten, um kontaminierten Aushub von unbelasteten Böden zu separieren. Ebenso können Kraftstoff- bzw. Lösungsmittel-belastete Schacht-Bauteile, Trumme und Rohrleitungen im Hinblick auf ein Entsorgungserfordernis geprüft werden (siehe Bild 4).

VOC-belasteter Aushub auf Tankstellengelände

Bild 4: Ermittlung von VOC-belastetem Aushub beim Rückbau einer Tankstelle, Quelle: TUHH/bentekk

Neben der Luft- und Bodenanalytik zeigen neuere Forschungsansätze mit dem „X-PID“ auch ein mögliches Anwendungsgebiet bei der Wasseranalytik. In Zusammenarbeit mit bentekk, die als Ausgründung von der Technischen Universität Hamburg-Harburg auch die ständige Weiterentwicklung, Herstellung und Vermarktung des „X-PID“ betreibt, wurden hierzu auf einer ehemaligen Deponie entsprechende tiefenorientierte Grundwasseruntersuchungen durchgeführt (Bild 5).

Grundwasser-Untersuchungen auf einer Deponie

Bild 5: Tiefenorientierte Grundwasser-Untersuchungen zur LHKW-Belastung auf einer Deponie, Quelle: TUHH/bentekk

Bei der Untersuchung dieser LHKW-belasteten Grundwässer konnte auch erstmals das stark krebserzeugende Vinylchlorid (VC) direkt in der Messstelle unmittelbar oberhalb des Grundwasserspiegels bestimmt werden. VC bildet sich beim Abbau von Tetrachlorethen (= “Perchlorethylen“), welches früher als Reinigungs-/Lösungsmittel sowie zur Metallentfettung genutzt wurde und in der Deponie abgelagert worden ist. Die Vinylchlorid-Konzentration kann auf Grund der hohen Flüchtigkeit bereits bei der Beprobung von Grundwässern im Gelände sowie auch auf dem Transportweg zum Labor und nochmals bei der Untersuchung im Labor zu Verlusten führen. Die ursprüngliche VC- Ausgangskonzentration im Grundwasser entspricht dann nicht mehr der im Labor ermittelten Analyt-Konzentration und führt zu entsprechenden Fehleinschätzungen. Die VC-Messung mit dem „X-PID“ direkt vor Ort deckt derartige Konzentrations-Verluste auf und ermöglicht damit gleichzeitig auch Einschätzungen zur Qualität der Probenahme (siehe Titelbild).

Gasanalysegerät (2016)

Bild 6: Gasanalysegerät der jüngsten Generation, Quelle: TUHH/bentekk

Konkrete Fragestellungen aus den verschiedensten Anwendungsbereichen werden auch künftig dafür sorgen, dass z. B. auch für Arbeitsschutz- und Überwachungsmaßnahmen kontinuierlich weitere Optimierungen und spezielle Adaptierungen an dem „X-PID“ durchgeführt werden (Bild 6 zeigt die neueste Geräte-Bauform aus 2016).

 

Dr. rer. nat. Axel Baermann, VDI Hamburg
Matthias Schmittmann / Johannes Weber, Bentekk GmbH